Die Wählervereinigung Frauen in den Kreistag feierte ihr 10-jähriges Bestehen als Verein im Subiaco Freudenstadt mit vielen geladenen Gästen. Landrat Andreas Junt stellte in seinem Grußwort dar, dass es ihm, trotz Terminüberschneidung mit der Verabschiedung von Kreistrat und Horbs OB Peter Rosenberger, wichtig sei, bei diesem Jubiläum zumindest kurz dabei zu sein. Er zitierte die erste österreichische Frauenministerin, Johanna Dohnal, die sagte, dass es Zeit sei, daran zu erinnern, dass die Vision des Feminismus nicht eine „weibliche Zukunft“, sondern eine menschliche Zukunft sei, ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und ohne Weiblichkeitswahn. Laut seinen Worten lebe die Demokratie von Vielfalt und dürfe keine Schwäche, keine Fake-News oder Einzelentscheidungen von Regierenden zulassen, damit sie funktionieren könne. Es sei wichtig, Zeichen zu setzen und Verknüpfungen mit vielen Gruppierungen anzustreben, was die Frauen in den Kreistag umsetzten. In diesem Zusammenhang wies Landrat Junt auf ein von seinem Vorgänger im Landratsamt veranlasstes und nun beendetes Projekt hin, welches Kinder und Jugendliche zügiger vor sexueller Gewalt schützen solle. Dafür stehe das blaue Kreuz als Mahnmal vor dem Gebäude in Freudenstadt. Ein Thema, dessen sich auch die Mitglieder des Vereins „Frauen in den Kreistag“ angenommen haben. Claudia Musse, Präsidentin des Dachverbands der Frauenlisten in Baden-Württemberg, dankte in ihrer Rede den Mitgliedern der Wählervereinigung für ihren Mut, sich sichtbar zu machen und für ihre Ausdauer, sich einzumischen. Für sie ist klar, dass Politik auch anders kann, nämlich solidarischer, gerechter, weiblicher. Aber dieses Jubiläum sei mehr als ein Rückblick – es sei auch ein Aufbruch, denn die Frauen seien noch lange nicht am Ziel. Nachdem über die Hälfte der Bevölkerung weiblich ist, sieht Claudia Musse noch einen langen Weg, bis auch 50% der Mandate in den Räten durch Frauen besetzt sind. Die Frauenliste „Frauen in den Kreistag“ ist ein wichtiges Teilstück in einem größeren Bild: dem Netzwerk der Frauenlisten in Baden-Württemberg. Gemeinsam, im Dachverband, sind die Frauenlisten eine wachsende, kraftvolle Bewegung für mehr weibliche Perspektiven in der Politik – unabhängig, feministisch und Basis nah“, so Musse. Daran knüpfte Kreisrätin Martina Sillmann an mit ihrem Rückblick auf die Jahre, als nur eine Frau unter 43 Männer im Kreistag saß. Diesen Umstand wollten verschiedene Frauenorganisationen im Kreis nicht hinnehmen und gründeten deshalb die Wählervereinigung der Frauen in Kreistag, die vor 10 Jahren zu der Vereinsgründung führte. Sillmann ließ noch einmal die Entwicklung des Vereins Revue passieren und bedankte sich zum Schluss bei den Pionierinnen der ersten Stunde, den Kandidatinnen der vergangenen Jahre, den Unterstützerinnen und Unterstützern im Hintergrund, den Wählerinnen und Wählern, und allen, die an die Notwendigkeit und den Erfolg einer reinen Frauenliste glaubten und glauben. In einer sehr persönlich gehaltenen Rede stellte die erste Vorsitzende Heike Grötzinger-Seropian ihre Beweggründe dar, sich kommunalpolitisch in einer Frauenliste zu engagieren. „Unser Landkreis braucht die weibliche Stimme, er braucht die weibliche Perspektive, wenn es um Nahversorgung, Kinderbetreuung, Versorgung von Seniorinnen, Mobilität oder die Stärkung unsere Kliniken geht. Alles Alltagsthemen – und genau die Themen, die Frauen zu Expertinnen machen, weil sie Lebenserfahrung, Organisationstalent und den Pragmatismus einer Managerin des Alltags mit an den Verhandlungstisch bringen“, sagte Grötzinger-Seropian. Den in der Vereinssatzung an erster Stelle stehenden Grundsatz der Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern sowie das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung hält die zweite Vorsitzende Susanne Brückner heute für wichtiger denn je. Als langjährige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Pforzheim sieht sie in Deutschland die Umsetzung des Gleichberechtigungsartikels des Grundgesetzes formal als fortgeschritten an, stellt jedoch fest, dass die derzeitige gesellschaftliche Realität eine andere ist. Die Gewalt an Frauen und Mädchen steigt signifikant, die politische Unterrepräsentanz von Frauen ist offenkundig und die Sorgearbeit in den Familien ist ungleich und zu Lasten von Frauen verteilt. Altersarmut trifft Frauen besonders hart. Antifeminismus, Sexismus und Frauenfeindlichkeit verbreiten sich vor allem im digitalen Raum rasant. „Auch die kommunale Ebene steht in der Verantwortung die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern, Frauen den Weg in die Kommunalpolitik zu ebnen, für die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt zu sorgen. Hinzukommt das Thema Frauengesundheit und die diesbezügliche Versorgungslage“, so Brückner. Ihr Dank galt all denjenigen, die sich für eine gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in unserer Gesellschaft und insbesondere für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzen. Umrahmt wurden die Reden von der Musikgruppe Ladyra Fusion, bestehend aus der Sängerin Chioma Rabiej und ihrem Begleiter, die mit ihrem einem Song „Keep on rising“ die Frauen auf die Zukunft einstimmte. Bevor es in den Kinosaal zu dem Film „Ein Tag ohne Frauen“ ging, nutzten die Gäste bei Häppchen und Getränken die Gelegenheit zum Austausch in lebhaften Gesprächen.

Bildunterschrift: Die Frauen in den Kreistag freuten sich über die Grußworte von Landrat Andreas Junt, Kreisrätin Martina Sillmann (ganz links) sowie der Vereinsvorsitzenden Heike Grötzinger-Seropian und Susanne Brückner (3. und 4. v. r.). Mit auf dem Bild sind die Kreisrätinnen Uta Schumacher (2. v. l.), Christina Nuss (2. v. r.) und die Sängerin Chioma Rabiej.
Foto: Frauen in den Kreistag e.V.

Foto: Frauen in den Kreistag e.V.

Foto: Frauen in den Kreistag e.V.

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