Frauen in den Kreistag

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Haushaltsrede für das Jahr 2022

Dezember 2021
„Habt Ihr auch dieses Jahr wieder ein Feuerwerk von Anträgen“, so wurden wir von einem Mitglied dieses Kreistages gefragt. Nein, das haben wir nicht, weil wir den Eindruck haben, dass die Verwaltung nicht ganz mit unseren sprudelnden Ideen mithalten kann. Vieles steht noch in der Pipeline und wir werden unsere alten Anträge hier in unserer Haushaltsrede nochmal zur Gedankenstütze für alle ansprechen. Unsere diesjährigen haushaltsrelevanten Anträge, sie liegen Ihnen vor, wie auch unsere noch zu bearbeitenden Anträge der vergangenen Jahre, sind aber keine Luxusanträge, die in Zeiten voller Kassen gehören, sondern – wie wir finden – dringend notwendige Anträge, die auch bei klammen Kassen wichtig und richtig sind. Auch in Zeiten, in denen uns Corona den Boden unter den Füßen wegzuziehen droht, uns teilweise in unserer politischen Arbeit hemmt und gerade all das, was wir sonst für gut und richtig empfunden haben, in ein anderes Licht stellt: Wachstum, wirtschaftlicher Ertrag und Erfolg, Urlaubsreisen in ferne Länder, Freizeiteinrichtungen der Superlative, Neuausweisung von Gewerbegebieten, die wiederum Straßenbauprojekte notwendig machen und nach sich ziehen.
Ein kleines Virus schafft es, vieles davon lahm zu legen. Es zwingt auf brutale Weise, uns auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist: Gesundheit, Mitmenschlichkeit, Fürsorge. Wenn die Reise auf die Malediven gecancelt wurde, entdecken wir plötzlich den Wald direkt vor unserer Haustüre als etwas einmalig Schönes, Erholsames und Erhaltenswertes. Das bedeutet dann aber: Wir müssen den Wald und unserer Natur erhalten, damit wir sie für uns selbst, unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden auch weiterhin nutzen können.
Wenn das Wellnessbadeparadies geschlossen bleibt, erkennen wir plötzlich wie schön die Erzgrube in unserer unmittelbaren Nähe ist. Was bedeutet das? Nun eben nicht eine Autolawine am Straßenrand auf den Parkplätzen und Hofeinfahrten, sondern einen gut getakteten öffentlicher Personennahverkehr und wie das die Grünen fordern, wenigstens am Wochenende kostenlos. Ja wir unterstützen diesen Antrag, weil er gut und richtig ist, gerade in unserer jetzigen Zeit, die uns an die Grenzen bringt und uns aufrüttelt. Aber auch weil wir schon vor zwei Jahren einen ähnlichen Antrag gestellt haben, nämlich ein kostenloses oder verbilligtes Ticket für Schüler Studenten und Auszubildende. Es wurde abgelehnt und als ich es dem Verkehrsminister Hermann, als er in Freudenstadt war, das vorschlug, meinte er, auf etwas schnoddrige Art: Wenn es der Kreis bezahlt, gerne. Jetzt kommt es doch in Form des 365 Euro Tickets, mit dem ein Jahr lang überall in Baden-Württemberg der ÖPNV von dieser Personengruppe genutzt werden kann. So ändern sich zum Glück die Ansichten und Zeiten.
Wenn das Virus uns den Besuch bei den Großeltern erschwert, merken wir, wie sie uns fehlen und lernen Familie wieder wertschätzen. Was bedeutet das für uns als Kreis? Dass es wichtig ist Strukturen zu schaffen, die eine möglichst lange Selbstständigkeit mit späterer Pflege in den eigenen vier Wänden ermöglichen und dass moderne Altersheime im Kreis ausreichend vorhanden sein müssen. Die Gesundheitskonferenz hat hier viele wegweisende Impulse gegeben, auf deren Umsetzung wir hoffen und Ihnen, Herr Landrat und Frau Ruf, diesbezüglich gerne vertrauen möchten und den Rücken stärken wollen. Es bedeutet aber auch, dass wir Familie als Ganzes unterstützen sollten. Das heißt mit Kinderkrippen, Kindergärten, und zwar mit möglichst flexiblen Betreuungszeiten und in diesen Reigen gehören nach wie vor die Tageseltern. Nicht als billige Arbeitskräfte, sondern partnerschaftlich in das Konzept der Kinderbetreuung mit eingebunden.
Wenn das Virus es schafft, das Krankenhaus vor Ort in die Knie zu zwingen, dass Patienten ausgeflogen werden, dann wird auch dem letzten klar, wie wichtig dieses Krankenhaus hier bei uns ist. Was ist denn in der Pandemie das Wichtigste? Dass wir gesund bleiben! Dazu brauchen wir ein gut funktionierendes Gesundheitswesen. Das wiederum kostet Geld. Doch das muss es uns Wert sein. Sicher ist hier die große Politik gefragt und wir hoffen, nein wir fordern, dass all diejenigen im Kreistag, die in den verschiedenen Parteien, sei es CDU, SPD, FDP oder Grüne organisiert sind, bei ihren Abgeordneten vorstellig werden und hier eine grundsätzlich andere Krankenhausfinanzierung, die dem gewachsen ist, einfordern und umsetzen. Die Kommunen dürfen nicht weiterhin derart belastet werden. Die einzige Sparmöglichkeit, die immer wieder angeführt wird, nämlich Personalkürzungen,
ist schon lange ausgereizt. Das hat uns jetzt das hässliche Lachen des Coronavirus schmerzlich vor Augen geführt: Ohne Pflegepersonal könnt ihr so viel Betten vorrätig haben wie ihr wollt, es hilft euch nicht. Wenn dann bei dem einen oder anderen der Gedanke Privatisierung aufkommt, können wir nur warnen. Corona macht auch vor privaten Krankenhäusern nicht halt und sparen, indem man nur die lukrativen Stationen eines Krankenhauses beibehält, ist keine Lösung. Das könnten wir genauso in kommunaler Trägerschaft.
Das Virus hat uns gezeigt, wie eng alles auf unserer Welt miteinander verwoben ist, wie schnell unsere Welt aus dem Gleichgewicht und damit aus den Fugen gerät. Es warnt uns, umsichtiger mit unseren Ressourcen vor der eigenen Tür umzugehen und zwingt uns zu hinterfragen. Dazu gesellt sich der Klimawandel. Auch er zwingt uns zum Umdenken und Handeln.
Inwieweit können wir, ja dürfen wir weiterhin große Flächen für Gewerbe und Industriegebiete planen, die große Straßenprojekte nach sich ziehen, die wiederum Flächen versiegeln. Gewerbeflächen sind notwendig, damit die Kommunen Gewerbesteuern bekommen, um alle ihre Aufgaben und darüber hinaus freiwilligen sozialen Leistungen erbringen zu können. Aber zu welchem Preis und geht es nicht auch anders. Darüber sollten wir gemeinsam diskutieren, hier im Kreistag und nach Lösungen suchen. Wir hatten beantragt, die Politökonomin Maja Göppel gerade zu diesem Thema einzuladen, zu einer Klausurtagung oder aber auch zu einem Impulsvortrag beim Jahresempfang des Landkreises. In diesem Zusammenhang wiederholen wir nochmals unsere dringende Bitte, gerade bei dem Jahresempfang darauf zu achten, Frauen als Expertinnen einzuladen. Ich glaube Herr Landrat, das können Sie die nächsten 20 Jahre machen und dann wäre die Parität immer noch nicht hergestellt.
Die Kreisverwaltung und der Kreistag sollten sich zu einer Institution entwickeln, die über ihre originären Aufgaben hinaus zum Impulsgeber wird. Das Forum Kreistag sollte genutzt werden, neue Entwicklungen und Erkenntnisse weiterzugeben. Wie können sich Kommunen auf den künftigen Klimawandel einstellen, welche Hochwasserschutzmaßnahmen sind notwendig? Wenn mehr Windräder notwendig sind, wie können sie im Einklang mit Natur und Tieren gebaut und eine Akzeptanz bei den Bürgern erreicht werden? Dazu brauchen wir Input von außen. Und wenn wir Forschungen vor der eigenen Haustüre haben, sollten diese auch vor Ort im Kreistag vorgestellt werden. Beispielsweise auch die Erkenntnisse der Forschungsgruppe Lichtverschmutzung und Ökophysiologie des Leibniz-Instituts für Gewässer Ökologie und Binnenfischerei. Die Wissenschaftler waren hier bei uns im Naturschutzgebiet Heimbachaue in Loßburg. Es ging darum, neue Arten der Straßenbeleuchtung zu entwickeln, die helfen dem Insektensterben Einhalt zu gebieten. Es geht um die Balance zwischen dem Licht, wie Menschen es benötigen und dem Artenschutz. Wenn wir schon Ziel eines solchen bundesweiten Projektes geworden sind, dann wäre es sehr interessant, darüber auch direkt von Mitarbeitern des Institutes aus erster Hand unterrichtet zu werden.
Der Kreis hat auch eine Vorbildfunktion. Es gibt gute und schlechte Beispiele. Beispielsweise das Kinderferienprogramm für die Beschäftigten hier im Landratsamt, durch das Eltern ihre Kinder in den Sommerferien gut versorgt wissen, wenn sie selbst arbeiten. Vorbildlicher geht es nicht als Arbeitgeber, aber auch als Landkreis. Hier unser ausdrückliches Lob. Weniger rühmlich der Tiger, diese Form der Kinderbetreuung hat kein Vorbildcharakter. Weil der Kreis hier an falscher Stelle spart, statt zu zeigen, wie eine moderne flexible Kinderbetreuung heutzutage auszusehen hat. Unsere Kritik gilt hierbei nicht den Mitarbeitern dieser Einrichtung, sondern der Form. Es werden gesetzliche Lücken oder Ungenauigkeiten genützt, um Geld zu sparen. Das ist nicht vorbildlich.
Wir sehen die Kreisverwaltung aber auch als Unterstützer und Helfer und hoffen, dass Sie, Herr Landrat, und Ihre Mitarbeiter, den Dschungel an Verordnungen für Ihre Bürger lichten, Entbürokratisierung forcieren und Genehmigungsverfahren, wo immer es geht, beschleunigen, so wie es die neue Bundesregierung selbst versprochen hat. Wir hoffen, dass die Verwaltung dann auch entsprechend mitziehen oder gar Vorreiter sein wird. Vor allem im Bereich der regenerativen Energien oder bei den Bestrebungen der Gemeinden auf dem Weg zu einer ortsnahen
Energieversorgung. Hier sollte der Kreis, in welcher Form auch immer, hilfreich zur Seite stehen. Das gilt auch für den Bereich der Fördermöglichkeiten und Förderrichtlinien.
Aus diesem Grund stellen wir den Antrag, eine Stelle zu schaffen, die sich genau darum kümmert. Mittlerweile gibt es einen Dschungel aus Fördertöpfen; sie zu finden und zuzuordnen ist schon schwierig, dann die entsprechenden Anträge zu stellen, fällt sogar manchen altgedienten Rathauschefs mittlerweile schwer. Hier wäre dringend eine Hilfestellung notwendig und die sollte der Kreis geben. Diese Stelle verursacht Geld – logisch, aber sie bringt viel mehr an Geld für den Kreis, seine Kommunen und darüber hinaus auch für die Vereine, für das Krankenhaus, für viele gute soziale und kulturelle Einrichtungen. Auf diese Weise könnte der Kreis vieles unterstützen, ohne selbst tief in die Tasche greifen zu müssen. Es gehen viel zu viele Fördermöglichkeiten verloren, nur weil keiner davon weiß.
Wir möchten aber auch, dass der Kreis selbst unterstützt und fördert. Wir werden nach den Haushaltsreden über den Antrag „Schlachtung mit Achtung“ beraten, den wir im vergangenen Jahr gestellt hatten. Im AIU wurde der Antrag abgelehnt. Warum? Er ist nicht falsch, er entspricht unseren Leitlinien, die wir uns selbst als Kreis gegeben haben. Er beendet Tierleid, bringt uns qualitativ höherwertiges, gesünderes Fleisch und ist geradezu geschaffen für kleine Landwirtschaftsbetriebe in unserem Landkreis. Wir haben eine eigene Schlachteinheit beantragt. Welch eine Hilfe für die Bauern! Wenn das nicht geht, wenigstens einen Zuschuss für Bauern, die diesen Weg einschlagen möchten. Im Landkreis Zollernalb wird ein Zuschuss von 30 0000 Euro schon seit drei Jahren gewährt. Warum? Weil Landrat Pauli und der Kreistag dort ihren, wenn auch kleinen, Beitrag zum Tierwohl leisten wollen. Warum wollen wir das nicht auch? Was hält uns davon ab, das Richtige zu tun.
Plastik in den Meeren, Müllberge vor unseren eigenen Türen. Wir beantragen mit der Aufklärung schon in den Schulen zu beginnen und dabei einen Wettbewerb für das beste Projekt auszuloben. Wir hoffen, dass unser Antrag Zustimmung findet, denn was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Ein Ansporn soll dieser Wettbewerb für die Schulen sein. Auch ein Wettbewerb um den schönsten Schulgarten fällt in diesen Bereich Aufklärung, Vorbeugung, hinführen zur Natur, den dort wachsenden Lebensmitteln, deren Verwendung. Ohne Pestizide im Einklang mit der Natur.
Wir wurden anfänglich belächelt, als wir den Antrag zu blühenden Wildblumenwiesen stellten. Ein kleiner Streifen am Landratsamt war damals das kleinstmögliche Zugeständnis der Verwaltung. Mittlerweile sieht man solche Blühstreifen und Blühwiesen vermehrt, auch in den Orten unseres Kreises und hoffentlich auch bald auf der Bengelbruck. Wer immer noch Zweifel an der Wichtigkeit dieser banal klingend Forderung von uns hat, dem sei das Buch „Das Leben der Bienen“, das international für Furore sorgte, ans Herz gelegt. Es ist aber nichts für schwache Herzen. Das Szenario, was eine Zukunft ohne Bienen für uns und unsere Erde bedeutet, oder was dann davon übrigbleiben wird, geht an die Nieren.
Wenn wir schon bei der Mülldeponie sind, bitten wir die Verwaltung aufzuzeigen, ob es bei deren Erneuerung und teilweisen Umbaus die Möglichkeit gibt, eine sogenannte Ecke zum Tauschen und Verschenken anzubieten. Menschen, die etwas nicht wegwerfen möchten, können es dort hinbringen und Menschen können sich hier umschauen, ob sie was Passendes finden. Abfall zu vermeiden oder wieder einer sinnvollen Nutzung zuzuführen, gehört zu den Grundsätzen der modernen Kreislaufwirtschaft. Denn nicht jedes aus der Mode gekommene Sofa oder nicht mehr benötigte Regal muss entsorgt werden. In Kaiserslautern beispielsweise hat der dortige Wertstoffhof eine solche Ecke in einer Halle eingerichtet. Dabei wird lediglich der Tauschplatz zur Verfügung gestellt. Es funktioniert und wird gut angenommen.
Anregungen von außen sind meist hilfreich. Ich erinnere Sie an den Besuch von Siegfried Zenger, Leiter der Regionalentwicklung beim Landratsamt Böblingen, der uns auf sehr anschauliche Weise über die Kulturmeile in Böblingen berichtete. Das war unser Antrag vor zwei Jahren. Der 50. Geburtstag unseres Landkreises steht vor der Tür. Er ist am 1. Januar 2023. Wie sind die Planungen zu unserer Kulturmeile hier im Kreis gediehen? Wir bitten die Verwaltung uns zu Beginn des nächsten Jahres darüber im Kreistag zu berichten.
Und damit wären wir schon bei den noch aufzuarbeitenden Anträgen angelangt: Wir hatten den Antrag gestellt, eine leichte Sprache anzubieten. Auf der Homepage und bei allen Verwaltungsschriften. Vielleicht haben wir den Antrag selbst nicht in leichter Sprache für die Verwaltung geschrieben, da er bis jetzt noch nicht im Kreistag behandelt wurde. Vielleicht ist es aber auch ein gutes Zeichen, da man alles in Bewegung setzt, und das dauert ja bekanntlich, um diesen Antrag dann auch umsetzen zu können.
Wir hatten die Verwaltung auch gebeten, Möglichkeiten aufzuzeigen, ob und wie sich der Kreis allein oder in Kooperationen mit den Kommunen in den sozialen Wohnungsbau einklinken kann, und zwar Ressourcen schonend, also möglichst aktiv zu sein in Baulücken oder in schon bestehenden Wohngebäuden. Vielleicht wäre das Anfang nächsten Jahres möglich.
Ganz unter den Tisch gefallen ist die Forderung nach Substitutionsbehandlung. Auch hier noch mal die Bitte, sich darum zu kümmern, ob und wie sich das bewerkstelligen lässt.
Zum Schluss noch eine kleine Anregung für den Personalrat. Vielleicht könnten Sie eine Umfrage starten, ob Ihre Mitarbeiter bereit wären, sich von ihren Gehältern die monatlichen Centbeträge nicht auszahlen zu lassen. Die Verwaltung könnte diese auf ein separates Konto buchen. Es gibt einige Firmen und Behörden, die das tun und deren Vorstand die gleiche Summe nochmal drauflegt. Man sollte es nicht glauben, aber dadurch kommen stattliche Beträge zusammen, die für ausgesuchte Projekte gespendet werden können.
Manchmal erscheint es so, als würde unser Leben nur noch vom Coronavirus bestimmt. Unsere Anträge möchten wir so verstanden wissen, dass wir an die Zukunft glauben, dass wir aber selbst aktiv etwas verändern möchten und dass wir wissen, dass wir viel Gutes tun können, das vordergründig vielleicht Geld kostet, aber letztendlich dann in der Zukunft Geld spart und unser Leben trotz aller Bedrohungen lebenswert macht.
Vielen Dank.
Bärbel Altendorf-Jehle