Was ist die Aufgabe eines Kreistages? Wenn Sie diese Frage an junge Menschen richten, werden wohl 90 Prozent darauf keine Antwort wissen. Aber auch bei älteren Menschen wird diese Frage in vielen Fällen ein Schulterzucken hervorrufen. Nicht viel erfolgreicher fällt die Antwort auf die Frage aus: Welche Aufgaben hat das Landratsamt. Dass man hier sein Auto anmelden muss, ist bekannt. Der ein oder andere weiß auch, dass man sich hier um den Abfall kümmert. Doch das wars dann auch schon. Selbst im Kreistag kommt ab und an die Frage auf, warum dies oder jenes nicht gemacht oder unterbunden wird und dann müssen Sie, Herr Rückert, manchmal selbst altgediente Kommunalpolitiker darauf aufmerksam machen, dass dies eben nicht Aufgabe des Landkreises ist.
Mit rund 900 Beschäftigten ist der Landkreis einer der größten Arbeitgeber der Region. Ein vergleichbares privates Unternehmen mit einem derartigen schlechten Bekanntheitsgrad hätte schon längst Imagepflege und Aufklärungsarbeit betrieben. Warum? Weil mit dem Bekanntheitsgrad in aller Regel auch die Akzeptanz einhergeht und der Bürger Entscheidungen besser nachvollziehen kann, ihm dann ein Landrat oder Kreistag nicht egal sind, sondern diese als ein wichtiges Instrument der Demokratie gesehen werden.
Wir denken der Landkreis ist in letzter Zeit mit Veranstaltungen, wie der Gesundheitskonferenz oder dem Workshop zum Thema Nachhaltigkeit, auf dem richtigen Weg die Bürger miteinzubeziehen. Die Frauenliste glaubt aber, dass dieses Engagement auf weitere Bereiche ausgedehnt werden kann. Wir möchten, dass der Landkreis, der im nächsten Jahr seinen 50. Geburtstag feiert, dieses Jubiläum nutzt, sich bekannter für die Bürger zu machen, seine Präsenz und Notwendigkeit besser zur Geltung bringt und sich nicht nur in dieser Hinsicht, sondern auch in vielen anderen Bereichen erneuert und mit der Zeit geht. Falsch wäre es, sich hinter verstaubten Akten zu verbergen, nach dem Motto: Warum sollen wir uns ändern, wenn das Alte doch bisher funktioniert hat.
Doch Veränderung ist notwendig, kann innovativ und arbeitserleichternd sein. Sie kann Zeichen setzen und den Weg zu neuen Ufern aufzeigen. Wir, die Frauenliste im Kreistag, fordern das in unserer diesjährigen Haushaltsrede und möchten mit ihnen gemeinsam diesen neuen Weg einschlagen, der eigentlich all das beinhaltet, was unser weiteres Leben, mit seinen Pandemien, Weltkrisen und den Umweltproblemen von uns – wenn wir ehrlich sind – schon seit Jahren einfordert.
Jede Krise birgt in sich neue Chancen. Nutzen wir diese und erneuern uns.
Corona zwang und zwingt auch jetzt noch jeden einzelnen von uns sich mit der Digitalisierung im Beruf aber auch daheim zu beschäftigen. Viele haben davon profitiert in der Schule, im Studium, im Beruf und daheim. Viele beklagten die fehlende Kommunikation, viele aber freuten sich über neue Wege der Kommunikation. Homeoffice wurde erprobt, größtenteils für gut empfunden und es gibt jetzt schon Firmen und Betriebe die ganze Gebäude stilllegen, weil ihre Mitarbeiter vermehrt von zuhause arbeiten. Für viele ist das ein Gewinn an Lebensqualität, manche vermissen aber den persönlichen Kontakt zu den Arbeitskollegen. Wahrscheinlich liegt die Zukunft deshalb im gesunden Mittelweg. Und dieser Mittelweg bedeutet für uns, die Frauenliste, keinen Neubau des Landratsamtes, kein örtliches Zusammenlegen der einzelnen Ämter, keine Erweiterung des alten Landratsamtes und vor allen Dingen nicht noch mehr Platz für den ruhenden Verkehr.
Warum: Ein Neubau wäre in diesen unruhigen Zeiten (Pandemie, Ukrainekrieg, steigende Preise) für die Bevölkerung nur schwer nachvollziehbar. Wenn wir davon ausgehen müssen, dass das Defizit der KLF um 2,3 Millionen höher ausfallen wird, als für den Haushalt 22 vorgesehen und vom Landkreis ein Abmangel in Höhe von 7,8 Millionen Euro notwendig wird, braucht man überhaupt nicht an einen Verwaltungsneubau zu denken. Auch wenn wir glauben, dass die neuen Ankündigungen des Bundes zur Krankenhausfinanzierung sehr vielversprechend sind. Ein Neubau ist aber auch gar nicht mehr notwendig.
Eine moderne Verwaltung, die sich neu ausrichtet, braucht nicht mehr für jede Mitarbeiterin oder Mitarbeiter ein eigenes Büro, wenn ein Teil der Arbeitszeit daheim am heimischen Schreibtisch möglich ist. Auch ein Zusammenlegen der Ämter ist in der modernen, digitalen Welt in unseren Augen hinfällig. Wenn große Firmen mit ihren Zweigstellen in allen Herren Länder über das Internet kommunizieren, ja selbst Maschinen aus der Ferne repariert werden können, dann muss es doch wohl möglich sein, sich von der Landhausstraße bis in die Herrenfelderstaße verständigen zu können. Und in Zeiten des Klimawandels und einer sich wandelnden und vom Kreistag geförderten und geforderten Mobilität, ist die im Kreistag schon laut gewordenen Forderung nach mehr Parkplätzen am Landratsamt obsolet.
Die Landkreis-Verwaltung hat eine Firma beauftragt all das zu untersuchen. Ein richtiger Schritt, wenn er nicht von vorherein die Richtung Neubau oder Zusammenlegung geht, sondern eben diese modernen, zukunftsorientierten Arbeitsweisen für eine Verwaltung aufzeigt. In diesem Zusammenhang gibt es wieder einmal interessante neue Wege, die in Tübingen gegangen werden. Aus der Erkenntnis heraus, dass die Sanierungen der kommunalen oder denkmalgeschützten Gebäuden Kosten in exorbitanter Höhe erfordern, die derzeit nicht leistbar sind, wird jetzt umgedacht. Nicht die Dämmung der Häuser (oftmals auch gar nicht sinnvoll und kostenvertretbar machbar), sondern der Wechsel der Energiezufuhr steht nun im Fokus. Mit welchen Energieträgern kann ich klimaschonend, umweltfreundlich und kostengünstig diese Gebäude heizen. Ein Ansatz, den auch wir hier im Kreis Freudenstadt näher betrachten sollten.